Ein Spaziergang im 2. Bezirk (21. Oktober 2009)

Am 21.10.2009 besuchte unsere Jungseniorenrunde unter der sachkundigen Führung von Mag. Martin Mutschlechner die Leopoldstadt. Unser Treffpunkt war die Schwedenbrücke.„Mutschi“, so nennen ihn alle, die ihn noch aus der Jugend von St. Josef kennen, konnte so spannend erzählen, dass wir bald nicht mehr vor der Schwedenbrücke, sondern vor der hölzernen Schlagbrücke standen, die die Stadt über den Wiener Arm der Donau mit der Unteren Werd, einer großen Insel auf dem Gebiet der heutigen Leopoldstadt, verband. Diese blieb Jahrhunderte lang die einzige feste Verbindung, oft durch Hochwasser und Eisstoß zerstört, aber immer wieder erneuert, bis sie 1819 durch die Ferdinandsbrücke ersetzt wurde.

Stadtspaziergang 2009 ©: H. Konecsny Stadtspaziergang 2009 ©: H. Konecsny
Stadtspaziergang 2009 ©: H. Konecsny Stadtspaziergang 2009 ©: H. KonecsnyStadtspaziergang 2009 ©: H. Konecsny Stadtspaziergang 2009 ©: H. Konecsny
Stadtspaziergang 2009 ©: H. Konecsny Stadtspaziergang 2009 ©: H. Konecsny

Dann ging es über die Brücke zur Praterstraße. Diese war bis zur Errichtung der Ringstraße Wiens breiteste und schönste Straße mit vielen repräsentativen Bauten. Leider wurden viele Gebäude im 2. Weltkrieg zerstört und durch moderne Bauwerke – meist Bürogebäude – ersetzt.
Für die Unterhaltung der Wiener war in der Leopoldstadt gesorgt. Es gab zahlreiche Theater wie z.B. das Carltheater, in dem Nestroy und Raimund spielten, einen Zirkus (an ihn erinnert noch die Zirkusgasse) und Ballsäle sowie das beliebte Vergnügungsetablissement Sperl, in dem Josef Lanner und Johann Strauss Vater das Publikum begeisterten.

Als Kaiser Ferdinand II. die Juden aus der Stadt vertrieb, wies er ihnen in der Unteren Werd ein begrenztes Wohngebiet zu. Damit begann ein wechselvolles Schicksal der Jüdischen Gemeinde, einmal mit mehr Freiheit, dann wieder in Ghetto, bis schließlich im Holocaust über 60.000 jüdische Mitbürger ums Leben kamen.
Unser Spaziergang führte durch das ehemalige Ghetto bis zur Leopoldskirche, die schließlich der Leopoldstadt den Namen gab.
Im Pfarrhof wurde übrigens 1819 die erste Spar-Casse der Monarchie gegründet.

Die zweite wichtige Straße der Leopoldstadt, die Taborstraße, führte zum Nordbahnhof und zum Nordwestbahnhof. Hier wurden nicht nur Lebensmittel und Rohstoffe nach Wien geliefert, auch Tausende Menschen, vor allem aus Tschechien, strömten auf diesem Weg in die Hauptstadt. Die meisten von ihnen fanden in Wien ihre erste Unterkunft in den Elendsquartieren abseits der Praterstraße.

Hochwasser, Türkenbelagerungen und die Truppen Napoleons waren eine Heimsuchung für die Leopoldstadt. Im Revolutionsjahr 1848 fanden in der Praterstraße blutige Kämpfe zwischen Revolutionären und den kaiserlichen Truppen statt.

Unser Weg führte uns dann noch zur Karmeliterkirche, ein italienisch anmutendes Bauwerk, heute im Pfarrverbund mit der Leopoldskirche und den Karmelitermarkt zur Kirche der Barmherzigen Brüder. 1614 wurde von ihnen an der Straße „gegen Tabor“ ein kleines Hospital mit 20 Betten eingerichtet.
Die erste Generation der Brüder, die dieses Spital führten, bestand in erster Linie aus Italienern, die mit Kontaktschwierigkeiten zu kämpfen hatten. Die Brüder gewannen aber durch ihre vorbildliche Krankenpflege immer mehr an Ansehen. Die Niederlassungen der Hospitalbrüder wurden ausschließlich Krankenhäuser und stellten somit in den Ländern Mitteleuropas die ersten Krankenanstalten im heutigen Verständnis dar. Einer der größten Förderer war Kaiser Ferdinand II., der 1624 das Wiener Haus mit dem Privileg ausstattete, in allen habsburgischen Erblanden „Almosen“ – heute würde man wohl sagen: Spenden sammeln zu dürfen.

Nach unserem interessanten Spaziergang, bei dem wir auf unterhaltsame Weise Wissenswertes und auch für viele von uns Neues erfahren durften, gab es einen gemütlichen Abschluss im „Gasthof zum weißen Tiger“ (wo wir jedoch nicht die aus einem nahen Zirkus entlaufene Wildkatze trafen, auf die der Name des Gasthauses zurückgeht).

Wir danken Herrn Mag. Mutschlechner für diesen interessanten Spaziergang und Herrn Hans Konecsny für seine Fotos (siehe unten).

Helmut Scheer

Stadtspaziergang 2009 ©: H. Konecsny Stadtspaziergang 2009 ©: H. Konecsny
Stadtspaziergang 2009 ©: H. Konecsny Stadtspaziergang 2009 ©: H. Konecsny
Stadtspaziergang 2009 ©: H. Konecsny Stadtspaziergang 2009 ©: H. Konecsny

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