Am 21.10.2009 besuchte unsere Jungseniorenrunde unter der sachkundigen Führung von Mag. Martin Mutschlechner die Leopoldstadt. Unser Treffpunkt war die Schwedenbrücke.„Mutschi“, so nennen ihn alle, die ihn noch aus der Jugend von St. Josef kennen, konnte so spannend erzählen, dass wir bald nicht mehr vor der Schwedenbrücke, sondern vor der hölzernen Schlagbrücke standen, die die Stadt über den Wiener Arm der Donau mit der Unteren Werd, einer großen Insel auf dem Gebiet der heutigen Leopoldstadt, verband. Diese blieb Jahrhunderte lang die einzige feste Verbindung, oft durch Hochwasser und Eisstoß zerstört, aber immer wieder erneuert, bis sie 1819 durch die Ferdinandsbrücke ersetzt wurde.
Dann ging es über die Brücke zur Praterstraße. Diese war bis zur Errichtung der Ringstraße Wiens breiteste und schönste Straße mit vielen repräsentativen Bauten. Leider wurden viele Gebäude im 2. Weltkrieg zerstört und durch moderne Bauwerke – meist Bürogebäude – ersetzt. Als Kaiser Ferdinand II. die Juden aus der Stadt vertrieb, wies er ihnen in der Unteren Werd ein begrenztes Wohngebiet zu. Damit begann ein wechselvolles Schicksal der Jüdischen Gemeinde, einmal mit mehr Freiheit, dann wieder in Ghetto, bis schließlich im Holocaust über 60.000 jüdische Mitbürger ums Leben kamen. Die zweite wichtige Straße der Leopoldstadt, die Taborstraße, führte zum Nordbahnhof und zum Nordwestbahnhof. Hier wurden nicht nur Lebensmittel und Rohstoffe nach Wien geliefert, auch Tausende Menschen, vor allem aus Tschechien, strömten auf diesem Weg in die Hauptstadt. Die meisten von ihnen fanden in Wien ihre erste Unterkunft in den Elendsquartieren abseits der Praterstraße. Hochwasser, Türkenbelagerungen und die Truppen Napoleons waren eine Heimsuchung für die Leopoldstadt. Im Revolutionsjahr 1848 fanden in der Praterstraße blutige Kämpfe zwischen Revolutionären und den kaiserlichen Truppen statt. Unser Weg führte uns dann noch zur Karmeliterkirche, ein italienisch anmutendes Bauwerk, heute im Pfarrverbund mit der Leopoldskirche und den Karmelitermarkt zur Kirche der Barmherzigen Brüder. 1614 wurde von ihnen an der Straße „gegen Tabor“ ein kleines Hospital mit 20 Betten eingerichtet. Nach unserem interessanten Spaziergang, bei dem wir auf unterhaltsame Weise Wissenswertes und auch für viele von uns Neues erfahren durften, gab es einen gemütlichen Abschluss im „Gasthof zum weißen Tiger“ (wo wir jedoch nicht die aus einem nahen Zirkus entlaufene Wildkatze trafen, auf die der Name des Gasthauses zurückgeht). Wir danken Herrn Mag. Mutschlechner für diesen interessanten Spaziergang und Herrn Hans Konecsny für seine Fotos (siehe unten). Helmut Scheer
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